26. April 2023 – Tag 47

Von Lago nach Quintans

Wetter: Bis nachmittags eine dichte Wolkendecke, dann immer freundlicher

Heute Vormittag habe ich die Wegkreuzung erreicht, an der ich mich entscheiden musste, ob Ich weiter in Richtung Finisterre (nach links in meinem Bild) oder in Richtung Muxia (nach rechts in meinem Bild) laufen möchte. Ich habe den Weg nach Muxia gewählt

Der Dauerregen hat mich gestern etwa 10 km vor meinem eigentlichen Etappenziel veranlasst, es mir in einer Pilgerherberge mit Restaurant gemütlich zu machen, statt weiter im Regen rumzustapfen. Ich habe dort den Luzerner Pilger Christian kennengelernt. Wir haben zusammen zu Abend gegessen und dann ein paar Stunden mit interessanten Gesprächen verbracht. Christian fliegt schon am Samstag in die Schweiz zurück und beschäftigt sich gerade mit der Frage, wie er seinen aktuellen Jakobsweg in der Schweiz fortsetzen und die vielen, tollen Erfahrungen als Pilger in sein Privatleben und sein Berufsleben integrieren kann.

Die 10 Kilometer, die ich gestern früher aufgehört habe zu laufen, fehlten mir heute zum Erreichen meines Etappenziels. Meine Beine waren nach vielen Stunden Laufen müde und so habe ich etwa 10 Kilometer vor Murxia im Örtchen Quintans ein Zimmer in einer Pension genommen. Ich konnte hier den Inhalt meines Rucksacks zum Trocknen im Zimmer verteilen und auch die immer noch nasse Kleidung aufhängen. Da die Heizung auch hier nicht läuft, bin ich nicht sicher, ob ich morgen früh trockene Kleidung einpacken kann.

Ich (und meine Beine) sind froh, mich so entschieden zu haben. Das einzige, aber sehr ernste Problem ist nun, dass es im Restaurant der Pension frühestens um 20:30 Uhr Abendessen gibt. Ob ich das Warten darauf durchstehe?

Typisch für Galicien ist der viele Regen und die sattgrüne, üppige Vegetation

Teile der Etappen von Santiago de Compostela zum Meer kamen mir sehr bekannt vor. Besonders an die Café-Bars, in denen ich damals gegessen habe, kann ich mich immer noch gut erinnern.

Im 19. Jahrhundert wurde der Eukalyptus in Europa eingeführt, als ein galicischer Religiöser seine Samen aus dem weit entfernten Australien mitbrachte, wo er Missionar gewesen war. Diese Baumart hat sich gut an das nordwestspanische Klima angepasst. Als Folge hat sie sich massiv über ganz Galicien ausggebreitet

Der heutige Tag war einer meiner letzten Wandertage auf der Via de la Plata-Tour. Bisher habe ich mich noch nicht allzu viel mit meiner Rückkehr nach Basel beschäftig. Durch mein gestriges Gespräch mit Christian ist mir klar geworden, dass auch mir nur noch wenige Tage bis zu meiner Heimreise bleiben. Da wird es wohl Zeit, sich ein paar Gedanken dazu zu machen.

Die Ausgangslage ist klar: Für meine Familie und meine Freundinnen/Freunde ist das Leben während meiner Abwesenheit in gewohnten Bahnen weitergegangen. Ich hingegen habe zwei Monate in einer gänzlich anderen Welt gelebt. Ich habe sehr viel Neues gesehen, habe viele neue Menschen kennengelernt und mich mit manchen angefreundet.

Ich habe mich auch neu erleben dürfen und viel Wertschätzung erhalten. Menschen haben Interesse an mir gezeigt und wollten wissen, wer ich bin und was ich mache, wenn ich nicht auf Caminos unterwegs bin. Beim Erzählen über mich ist mir erneut bewusst geworden, wie reich ich beschenkt worden bin in den 71 Jahren meines Lebens.

Am nächsten Montag nach Basel zurückzukehren wird erfahrungsgemäss keine ganz einfache Angelegenheit. Die Freundinnen/Freunde ohne Jakobsweg-Erfahrungen – also nahezu alle – werden nicht wirklich verstehen, was ich vom Camino erzähle. Nur wenige wird es interessieren, was da wirklich (mit mir) passiert ist. Ich erwarte, dass es dann schnell zur Tagesordnung übergehen wird. Das zeigen meine Erfahrungen nach früheren Jakobsweg-Wanderungen, und das berichten auch andere Pilger*innen, mit denen ich über dieses Thema gesprochen habe.

Vielleicht ist all das auch gar nicht so wichtig. Ich will nicht missionieren und irgendwen davon überzeugen, dass es gut für sie/für ihn wäre, eigene Jakobsweg-Erfahrungen zu machen. Ich denke, ich sollte stattdessen für mich klären, was ich von meinem aktuellen Jakobsweg in mein Leben übernehmen möchte und wie, und dann daran arbeiten, dass das wirklich passiert.

Ein leckerer Café con Leche hilft mir sicher beim Nachdenken über diese schwierige Frage

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