Von Muxia nach Finisterre
Wetter: Von grauen Wolken und Regen bis blauer Himmel und Sonnenschein war alles dabei
Ich hatte versucht, in Muxia eine Café-Bar zu finden, die schon vor 8 Uhr Frühstück anbietet, aber war damit nicht erfolgreich. Und so habe ich wieder einmal Restproviant verzerrt und bin dann ohne Kaffee gegen 7 Uhr losgezogen.
Der etwa 30 km lange Weg führt erst ein paar Kilometer entlang einer wenig befahrenden Strasse und dann auf einem Schotterweg hoch in die grünen Hügel der Atlantikküste.

Dieser Teil der Etappe war recht anstrengend. Oben angekommen, ging es dann in sanftem Auf und Ab parallel zur Küste nach Süden.

Und dann endlich kam meine Rettung, das Restaurant LireCa in Lires, wo mir ein wunderbares Frühstück zubereitet wurde. Auch mein Nachholbedarf an Milchkaffee konnte ich dort decken.

Die zweite Hälfte der Etappe hatte es dann noch einmal in sich.

Ich hatte noch ein paar ruppige Anstiege zu bewältigen, es gab noch lange Abstiege und nicht enden wollende Strassen durch Vororte von Finisterre.

Dort habe ich ein ungewöhnliches Pilger*innen-Team aus Polen getroffen: Grossvater, Grossmutter und ihre 6-jährige Enkeltochter, die vergnügt und zufrieden aussehend Richtung Finisterre lief. Wir haben eine Weile zusammengestanden und miteinander geredet. Abends am Kap Finisterre haben wir uns noch einmal getroffen und das Gespräch fortgesetzt.
Für den Grossvater ist es der 31. Camino (!), für die Grossmutter nur ein paar weniger. Sie bezeichnen sich beide als Camino-Süchtige, die im Schnitt 2x pro Jahr mehrere Wochen auf Jakobswegen unterwegs sind. Ihnen beiden gefällt der Lebensstil der Pilger. Ich habe ihn gefragt, ob er den Kontakt zu anderen Pilgerbrüdern und -schwestern als positiv empfindet. Die Antwort war: ‘Eher nicht‘. Das hat mich überrascht, konnte mit ihm diesen Aspekt aber leider nicht weiter vertiefen.
Ihre Enkeltochter hätten sie anfangs auf Tagestouren mitgenommen, und dann auf immer längere Ausflüge. Sie wären sehr gute Freunde und würden pro Tag nicht mehr als 10 km laufen, würden viele Dinge machen, die die Kleine interessieren und so ginge das Pilgern mit ihr sehr gut. Leider konnte ich mit dem Mädchen selbst nicht reden, da sie nur polnisch spricht. Ich fand die Drei erfrischend anders und sehr interessant.

In Finisterre war ich inzwischen vier Mal; die letzten Male habe ich dort immer in der Pension Lopez gewohnt. Sie befindet sich in einem grossen Mehrfamilienhaus mit Panoramablick auf Hafen und Stadtzentrum. Vor dem Haus stehen viele Gartenzwerge, in den Zimmer hat es kitschige Möbel, aber der Zimmerpreis stimmt: 15 Eure für ein Einzelzimmer. Die Rezeption ist Büro und Waschraum für die Bettwäsche zugleich. Seit Jahren sieht dieser Raum gleich aus. Herr Lopez spricht ein paar Brocken Deutsch und freut sich immer, wenn er die benutzen kann. Ich habe mich gefreut, dass ich auch dieses Mal ein Panorama-Zimmer bei Lopez bekommen habe. Als ich meinen Rucksack dort abstellte, endete meine Via de la Plata-Wanderung.
Ich hatte schon wieder Hunger und träumte davon, mit einem leckeren Essen dieses Ende zu feiern. Gern hätte ich eine Eintopfsuppe gegessen.
Auf meinem Weg entlang der Restaurants im Hafen habe ich viele leckere Angebote für Fischgerichte gesehen, konnte mich aber für keins entscheiden, da ich ja eigentlich etwas anderes wollte. In einem Strässchen im Stadtzentrum bin ich an einem kleinen Restaurant vorbeigekommen mit einem Schild im Fenster, auf dem stand ‚Vegane Suppen‘. Ich habe gefragt, was es für Suppen gäbe. Die Antwort einer dort lebenden deutschen Frau in meinem Alter war ‚Linsen- oder Kürbissuppe‘. Ich habe mich spontan für die Linsensuppe mit verschiedenen Gemüsen entschieden und das nicht bereut. Zum Nachtisch gab es dann noch ein Stück Schokoladenkuchen und einen Milchkaffee. Das war ein würdiger, kulinarischer Abschluss meiner Jakobswegwanderung! Glücklich und satt habe ich mich dann dem letzten Ziel dieses Tages zugewandt.
Westlich von Finisterra gibt es eine Landzunge im Meer, dessen Ende im Mittelalter das ‚Ende der Welt‘ war. Bis dorthin laufen viel Pilger nach dem Erreichen von Santiago de Compostela und beenden ihre Wanderung mit dem Betrachten des Sonnenuntergangs.

Mache verbrennen danach noch ein verschlissenes Kleidungsstück und kehren mit neuen Kleidern und innerlich erneuert nach Hause zurück.
Auch ich bin dann noch zusammen mit anderen Pilgerbrüdern und -schwestern die 3.5 Kilometer zum Kap Finisterre gelaufen.

Der Himmel war mit silbergrauen Wolken bedeckt, durch die für eine ganze Weile die Sonne noch erkennbar war. Eine knappe Stunde vor Sonnenuntergang verschwand sie ganz hinter den Wolken und es wurde kalt. Einen schönen Sonnenuntergang gab es dort an diesem Abend nicht mehr zu sehen.

Der Weg zurück nach Finisterre waren meine ersten Schritte zurück ins alte Leben.
Die Frage ist nun, wie ich die Erfahrungen dieses Jakobswegs und die Träume von einem besseren Leben, die in vielen von uns Pilgern Gestalt angenommen haben, in mein Leben in Basel mitnehmen und dort verwirklichen kann?