Wetter: Bedeckt, grau und kühl, ab und zu regnete es
Frühstück in der Herberge: Die, die allein unterwegs sind, sitzen auch hier allein. Das viel-gepriesene Miteinander auf dem Camino hört hier anscheinend schon auf, bzw. beginnt hier noch nicht. Viele Singles haben ihr Smartphone vor sich und schauen immer wieder auf den Bildschirm. Und ich? Ohne iPad vor mir, aber auch allein. Es gibt hier niemand, den ich kenne und mir fehlt gerade die Energie für Gespräche mit Fremden.
Mit Hans, einem Viel-Pilger aus der Schweiz, hatte ich vor ein einigen Tagen ein paar interessante Gespräche. Er macht zurzeit eine Ausbildung als Hospitalero/Herbergsvater, um zurückzugeben, was er über Jahre selbst in Anspruch genommen hat. Er hat sich zusätzlich vorgenommen, nach seiner Rückkehr vom Camino, jeden Tag eine Person anzusprechen, mit der er vorher noch nie gesprochen hat. Mir hat dieser Plan sehr gut gefallen. Einen solchen Vorsatz könnte man eigentlich auch hier sofort umsetzen. Das wäre vielleicht sogar einfacher, als bis zuhause damit zu warten.
Nach dem Frühstück habe ich mich in meine Pilgerklause zurückgezogen, um das Online-Check-In für meinen Rückflug nach Basel am 1. Mai zu machen. Ich muss auch noch meinen Rucksack, den ich aufgeben will (besser: aufgeben muss), anmelden und dafür extra bezahlen. Wenn alles gut geht, endet ein solches Online-Check-In mit einem Boarding Pass im PDF-Format.
Das Online-Check-In ist aus meiner Sicht eine komplizierte, zeitaufwendige Angelegenheit, die damit anfängt, dass man gezwungen wird, erst einmal das Passwort des Kontos bei der Fluggesellschaft, mit der man fliegt, zu ändern (bei EasyJet ist das jedenfalls so). Da das alte Passwort aber in der Regel im Computerbetriebssystem integriert ist, war es für mich nicht so einfach, den Computer davon zu überzeugen, das neue zu benutzen (und nicht weiter das alte).
Unendlich viel Regeln muss man lesen und akzeptieren, viel Aufwand betreiben, damit endlich die Flugdaten eingelesen werden. Das Gepäck, das man aufgeben will, muss man registrieren und schliesslich dafür online bezahlen. Dann nochmal alle Daten kontrollieren und bestätigen. Nach etwa einer guten Stunde bekam ich dann endlich meinen Boarding-Pass. Ich konnte körperlich fühlen, das ich für dieses Prozedere viel Energie gebraucht habe. War das Check-In an einem Schalter mit einer echten Person nicht wesentlich einfacher und unkomplizierter? Ich denke ja.
Ich war froh, als das erfolgreich erledigt war und habe mich danach auf den Weg zur sonntäglichen Pilgermesse in der Kathedrale gemacht. Die gestrige war irgendwie ’saft- & kraftlos‘ (oder hat mir gestern die Energie gefehlt, mich da einzufühlen?).
Für meinen erneuten Besuch der Pilgermesse wurde ich belohnt: Ein Chor hat die Messe heute musikalisch begleitet, der Ablauf erschien mir harmonischer und stimmiger. Als Abschluss und Höhepunkt wurde das grosse Weihrauchgefäss durch das Kirchenschiff geschwenkt, was viele Menschen – mich eingeschlossen – sichtlich glücklich gemacht hat.
Nach der 12-Uhr-Messe hatte ich schon wieder Hunger und so habe ich wieder in der Kathedralenherberge gegessen. Das war lecker und es gab keinen Fernseher, der das Geniessen des Essens störte.

Am späten Nachmittag habe ich noch einmal eine Runde durch die Altstadt von Santiago de Compostela gemacht. Da hatte ich plötzlich das Gefühl, dass nun auch meine Seele hier angekommen ist. Ich fühlte mich ganz und wirklich hier.

Morgen ziehe ich mir noch einmal meine Wanderschuhe an und laufe in vier Tagen nach Muxia und Kap Finisterre, beides Orte am Atlantik, in denen viele Pilgerbrüder und -schwestern ihre Jakobswegwanderungen beenden. Auch ich werde das tun und euch davon berichten.