Von Estacion de Lalin zu einer privaten Herberge in Dornelas
Wetter: Morgens lag Nebel über dem Land und es wehte ein kühler Wind. Nachdem sich der Nebel aufgelöst hat, blieb der Himmel ganztägig mit einer dünnen Schicht Schleierwolken bedeckt. Es blieb auch kühl
Ich habe es genossen, im Hostal wieder einmal ein Zimmer nur für mich zu haben. Das Frühstück im Hostal-Restaurant war lecker. Die herbstliche Atmosphäre direkt danach beim Laufen im Nebel gefiel mir.

Santiago de Compostela war nicht mehr weit weg. Ich habe versucht, die Schritte dorthin ganz bewusst zu machen, stellte aber bald fest, dass es doch noch sehr viele waren. und da begann ich zu spüren, dass ich genug gelaufen bin und ich mich darauf freue, mein Leben fortzusetzen, ohne jeden Tag 30 km und mehr zurückzulegen.

An der Ecke einer grossen Viehweide mit Blick auf grüne Hügel und ein grosses Stück Himmel hatte ich dann eine ausgesprochen interessante Begegnung und ein langes Gespräch. Dort an der Ecke sass ein Mann im Gras, der Inhalt seines Rucksacks war um ihn verteilt.
Der dort sass war A. aus Los Angeles. Er hat wie ich seine Jakobsweg-Wanderung in Cadiz gestartet und ist wie ich auf dem Weg nach Santiago de Compostela. A. treffe ich alle paar Tage, wir wechseln ein paar Worte, verstehen uns wie Brüder, und dann gehen wir wieder unsere eigenen Wege. A. hat ein bisschen Übergewicht und kleidet sich auffällig schwarz-gelb/orange wie ein Hindu-Sekten-Anhänger.
Dort an der Ecke der Viehweide hat er mir erzählt, dass er seine Frau sehr vermisst. Er hat sie auf einem Jakobsweg getroffen, sie haben sich verliebt, sind zusammen mehrere Jakobswege gelaufen. Sie hat Krebs bekommen, hat aus Angst vor einer Chemotherapie darauf verzichtet und ist gestorben. A. hat mir ein Bild seiner taiwanesischen Frau gezeigt, es stand vor ihm im Gras. Er hat mir dann erzählt, dass er gern Englischlehrer in Taiwan werden würde und das dieser Jakobsweg wohl sein letzter wäre für die nächste Zeit. Wir haben uns dann verabschiedet wie Brüder, die sich bald wieder sehen. Er hat mir noch gezeigt, dass er genug Wasser dabeihat, um noch eine Weile auf der Wiese sitzen zu können.

Inzwischen war es bald 18 Uhr und die nächste Galicische Herberge noch über zwei Stunden entfernt. Da tauchte vor mir eine interessant aussehende, private Herberge auf. Ich habe geklingelt, mit dem Herbergsvater über Übernachtung, Abendessen und Frühstück geredet und wir sind uns rasch einig geworden. Die Herberge kam für mich zur richtigen Zeit, ist aber etwas weiter von Santiago de Compostela entfernt, als ich mir gewünscht hatte. Das wird nun morgen kein gemütliches Mindful Walking zum Etappenziel, sondern mehr ein Power Walk.
Der Herbergsvater teilte mir dann noch mit, dass es noch einen zweiten Übernachtungsgast gäbe, mit dem ich zu Abend essen würde. Als ich den Schlafraum mit zehn Betten öffnete, sass da Mikel aus Connecticut/USA, mein Dauerkumpel seit einigen Wochen. [Mikel ist Vollblutamerikaner und kann z.B. mit meinen Vorstellungen, wie die Klimakrise zumindest verlangsamt werden könnte, nichts anfangen, wie z.B. die eigene Mobilität reduzieren.]
Wir mussten beide lachen, als wir uns dort in der privaten Herberge in Dornelas zum ixten Mal wieder trafen. Wir haben uns dann Mühe gegeben und kritische Themen beim Abendessen ausgespart.