Von Cea zum Monasterio de Oseira (ein Kloster)
Wetter: Es gibt keinen Grund, sich über das Wetter zu beschweren. Den ganzen Tag war es sonnig und warm
Beim Aufwachen heute Morgen war der polnische Pilger-Bruder schon weg. Er startet seine Tagesetappen in der Regel um 5 Uhr mit Stirnlampe. Schade, er ist ein netter Kumpel, mit dem ich mich gern unterhalten habe. Vielleicht treffe ich ihn in Santiago de Compostela noch einmal.
Gefrühstückt habe ich mit Kethlin und Kethy im Restaurant der Frau, die uns gestern kulinarisch verwöhnt hat. Nach Milchkaffee, aufgebackenen Brotscheiben, Butter und Marmelade ging’s dann los, die zwei Australierinnen allerdings in eine andere Richtung als ich. Sie zog es auf dem direkten Weg nach Santiago de Compostela und mich mit ein paar Kilometern Umweg zum Monasterio de Oseira. Im Kloster möchte ich auch übernachten.
Das Monasterio de Santa Maria de Oseira ist eine Zisterzienser-Abtei der Trappisten. Es befindet sich in einem einsamen, grünen Tal etwa 35 Kilometer nordwestlich von Ourense. Die Mönche García, Diego, Juan und Pedro gründeten das Kloster im Jahre 1137. Es schloss sich 1141 dem Zisterzienserorden an. Die gleichermassen in der Landwirtschaft wie in Wissenschaft und Theologie bewanderten Mönche brachten das Kloster in den folgenden Jahrhunderten zur wirtschaftlichen und geistig-kulturellen Blüte. Das spiegelte sich in der prachtvollen Ausgestaltung der Anlage wider. 1552 verwüstete es ein Großbrand, nur die Kirche blieb erhalten. Auf Initiative des Abts Fray Marcos del Barrio wurde das Kloster wieder aufgebaut. Im Jahr 1835 verließen die Mönche im Zug der staatlich angeordneten Klosteraufhebung Oseira, Im Jahr 1929 wurde das Kloster von Trappisten aus Nôtre-Dame-des Neiges wieder besetzt. Diese haben nach und nach das teilweise verfallene Kloster wieder aufgebaut.
In gut zwei Stunden bin ich von Cea zum Kloster gelaufen. Der Weg verlief zu grossen Teilen im Schatten von Bäumen und war nicht sehr anstrengend.

Unterwegs traf ich eine indonesische Mutter mit ihrer etwa 25-jährigen Tochter. Die war gerade dabei, ihrer Mutter die Blasen an den Füssen zu verarzten. Die sahen gar nicht gut aus.

Das Kloster ist ein grosser Gebäudekomplex aus graubraunem, mit Flechten bewachsenem Granit. Es machte von weitem einen sehr verschlafenen Eindruck. Die Herberge für Pilger, die im Kloster übernachten möchten, liegt am Rand des Klosterkomplexes und sieht neu aus. Sie war unverschlossen und auch menschenleer. Sie öffnet erst um 13 Uhr.
Vor der Herberge gab es Sitzgelegenheiten, auf denen ich es mir gemütlich gemacht habe. Das indonesische Mutter-Tochter-Gespann setzte sich bald dazu und wir kamen ins Gespräch. Die beiden sind nach Spanien gekommen, um ‚Compostelas‘ zu erlaufen – die Bescheinigung, dass man nach Santiago de Compostela gelaufen ist. Dafür muss man mindestens die letzten 100 km zu Fuss unterwegs gewesen sein und sich das zwei Mal am Tag durch Stempel in den Pilgerpass offiziell bestätigen lassen. Die Indonesierinnen waren heute den ersten Tag unterwegs. Sie denken, dass sie für die noch zu laufende Strecke eine Woche brauchen werden. Knapp zwei Wochen haben sie insgesamt Zeit. Die verbleibenden Tage wollen sie mit dem Bus zum Kap Finisterre und nach Muxia fahren – beides Orte am Atlantik, in denen Pilger ihre Wanderung beenden. Ihr Plan könnte Wirklichkeit werden; die beiden schienen es gut miteinander zu haben. Das hat mir gefallen.
Um 13 Uhr erschien tatsächlich der Herbergsvater, registrierte mich als Schlafgast und ich konnte mir eins der 40 Betten aussuchen. Da ich neugierig auf das Kloster war, habe ich gleich danach nach dem Eingang gesucht. Der befindet sich neben einem Klostershop mit Info-Material, Andenken und Klosterleckereien.

Der Eingang zum Kloster stand offen; es gab kein Schild, das darauf hinweist, was im Kloster erlaubt ist und was nicht. Und so bin ich von Saal zu Saal, Kreuzgang zu Kreuzgang und Innenhof zu Innenhof spaziert, und fand dann endlich auch den Eingang zur Klosterkirche. Auch dort habe ich Fotos gemacht und die Zeit und die Welt um mich vergessen.

Zu guter Letzt fand ich auch die Marienfigur mit dem Jesuskind, das an ihrer Brust saugt. ‚Virgin of the Milk’ wird sie deshalb genannt.
Und dann hatte ich plötzlich das Gefühlt, dass es den Weg aus dem Kloster nicht mehr gibt. Auf meinem Spaziergang zurück durch Säle, Kreuzgänge und Innenhöfe gab es die offene Tür nicht mehr, durch die ich reingekommen bin.

Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass die Klosterbewohner schon Siesta machten und das Kloster während dieser Zeit wohl geschlossen war. Und just da kam die Frau aus dem Klosterladen, beladen mit neuen Waren, an mir vorbei. Stirnrunzelnd sah sie mich an und schloss die Tür in die Freiheit für mich auf. Glück gehabt!

Später am Nachmittag habe ich dann an einer offiziellen Führung teilgenommen. Viele der Orte, die wir anschauten, kannte ich schon, aber nun erfuhr ich ein bisschen über deren Funktionen. Am meisten beeindruckt hat mich der Flügel im Kloster, in dem die Mönche leben, die sich vom Leben zurückgezogen haben. Von aussen konnte man sehen, dass die Fenster ihrer Klausen zu unterschiedlichen Graden zugemauert waren. Habe ich da etwas sprachlich nicht richtig verstanden oder ziehen die sich wirklich so extrem von allem zurück? Und – wenn ja – wozu soll das gut sein?

Zum Abschluss des Tages durfte ich mit etwa einem Dutzend anderer Pilger den ‚Chanting Monks of Oseira‘ eine gute Stunde zuhören (’singend rufen’ beschreibt das wohl am besten, was sie gemacht haben). Das ganze fand in einer Art Kapelle statt, mit 8 Mönchen, die singend riefen, und einem, der auf einer kleinen Orgel recht unauffällig dazu spielte. Es wurden auch kurze Texte vorgelesen und Texte singsang-artig rezitiert. Da waren kein Schwung und Mum drin, aber etwas, was einen in den Bann zog. Es war faszinierend, den Mönchen zuzuhören/zuzusehen. Ich muss nun Info-Material finden, das erklärt, was ich da gesehen und gehört habe. Im Kloster habe ich erfahren, dass ’singend rufen’ zum täglichen Ritual der Mönche gehört und keine Show für Besucher ist. Wir Gäste mussten ganz still sein und durften weder fotografieren noch Tonaufnahmen machen.
